Die zwei Regeln und das stille Versagen der Finanzberatung
Herr B. ist 54, selbstständig, fleißig, einer von denen, die nie jammern. Er vertraute seinem Finanzberater. „Sie wollen doch auch, dass Ihr Geld arbeitet!“, sagte der Berater und schob ihm ein Produkt über den Tisch, dessen Prospekt dicker war als die Betriebsanleitung eines Kernkraftwerks. Herr B. unterschrieb, weil er glaubte, Beratung wäre Fürsorge.
Drei Jahre später stand er wieder vor demselben Berater, diesmal mit zittrigen Händen: „Warum habe ich Verlust, obwohl Sie mir damals sagten, das Risiko sei gering?“
Der Berater schaute auf seine Uhr, murmelte etwas über „Marktschwankungen“ und wechselte das Thema.
An diesem Punkt wird sichtbar, was in der Branche schiefläuft: Nicht die Märkte ruinieren Menschen, sondern die moralische Architektur, in der Beratung stattfindet.
Goldene vs. Silberne Regel: Der blinde Fleck der Branche
Seit Jahrtausenden geistern zwei einfache Prinzipien durch die Ethik:
Die Goldene Regel: Behandle andere so, wie du behandelt werden willst.
Die Silberne Regel: Füge anderen nichts zu, was du selbst nicht ertragen würdest.
In der Finanzberatung wird meist unbewusst die Goldene Regel gespielt. Und das führt direkt ins Chaos.
Ein risikoaffiner Berater empfiehlt Risiko.
Ein provisionsgetriebener Berater empfiehlt Komplexität.
Ein optimistischer Berater empfiehlt Optimismus.
Die Goldene Regel erzeugt Projektionen. Sie zwingt Berater, dem Kunden ihr eigenes Profil aufzudrücken. Psychologisch verständlich, ökonomisch fatal.
Die Silberne Regel ist kälter, klarer und für komplexe Systeme besser geeignet. Talebs Sicht ist eindeutig: Die Welt ist zu unberechenbar für wohlgemeinte Moralromantik. Robustheit entsteht durch Reduktion von Schäden, nicht durch Versprechen von Gewinn.
Warum die Silberne Regel die einzige tragfähige Ethik im Finanzbereich ist
  1. Sie schützt den Kunden in einer unberechenbaren Welt.Finanzmärkte sind nicht linear. Es gibt Sprünge, Überraschungen, Zusammenbrüche. Die Silberne Regel fokussiert darauf, irreversible Schäden zu vermeiden.
  2. Sie eliminiert moralischen Übergriff.Der Berater muss nicht wissen, was der Kunde will. Er muss nur wissen, was er ihm nicht zumuten darf.
  3. Sie bringt Skin in the Game zurück.Die zentrale Frage lautet:Würde der Berater dieselbe Struktur für sich selbst kaufen, ohne Hintertür, ohne Absicherung?Falls nein, ist das Gespräch beendet.
  4. Sie schafft Vertrauen durch Negative Knowledge.Gute Beratung beginnt nicht mit „Was können wir tun?“, sondern mit „Was lassen wir besser?“.Risiken entfernen statt Produkte hinzufügen.
Die neue Rolle des Finanzberaters: Schadensvermeider statt Produktverteiler
Ein Berater, der nach der Silbernen Regel arbeitet, tut Folgendes:
  • Er schützt den Kunden vor Überoptimierung.
  • Er strukturiert Portfolios so, dass Fehler überlebt werden.
  • Er sagt öfter „nein“ als „ja“.
  • Er stellt unangenehme Fragen, bevor er freundliche Antworten gibt.
  • Er ist mehr Risikomanager als Verkäufer.
Und er würde niemals Herrn B. in ein Produkt schicken, dem er selbst nicht trauen würde.
Fazit: Ethik ist keine Deko, sondern Risikomanagement
Die Finanzbranche braucht weniger „kundenorientierte Produktlösungen“ und mehr stille Ehrlichkeit.
Die Goldene Regel motiviert zum Verkaufen.
Die Silberne Regel zwingt zum Denken.
Beratung wird robust, wenn sie zuerst verhindert, dass Menschen fallen.
Alles andere ist Marketing.
7
1 comment
Ronny Wagner
7
Die zwei Regeln und das stille Versagen der Finanzberatung
Goldrichtig investieren ✨
skool.com/goldrichtig-investieren-1391
Sichere dein Vermögen optimal ab, reduziere das Risiko deiner bestehenden Anlagen und mach dich unabhängig von Staat und Banken.
Leaderboard (30-day)
Powered by