Der essentielle Dialog liegt schon ein paar Tage hinter mir und noch immer fühle ich mich von diesem Tag wie berauscht.
Ich gebe es ehrlich zu, ich hatte Angst vor diesem Zusammentreffen (Angst ist seit meiner Kindheit mein ständiger Begleiter), denn ich wusste nicht genau, was auf mich zukommt, was passieren wird, wie ich mich verhalten werde, wie sich die anderen mir gegenüber zeigen, passe ich überhaupt da rein, was wird von mir erwartet - so viel Unbekanntes für mich, wo ich doch immer auf Sicherheit aus bin und Situationen, die ich nicht einschätzen kann, vermeiden möchte . Aber kneifen wollte ich letztendlich auch nicht.
Wir haben uns dann also bei Jürgen in seinem schönen Zuhause getroffen und sind den Leitfaden “Grundlagen & Wegweiser - der essentielle Dialog” durchgegangen. Soweit, so gut. Danach ging es zum Winterfeldtmarkt, der größte und bekannteste in Berlin und ich liebe ihn. Hier konnten wir Jürgens Begeisterung für die Marktstände und Menschen hautnah miterleben und natürlich auch seine Großzügigkeit uns gegenüber. Und gleichzeitig konnte ich beobachten, mit welcher Freude alle an den Marktständen vorbei schlenderten. Natürlich war es nicht nur ein reines Freizeitvergnügen, sondern Jürgen übte mit uns auch das Erkennen von Urwunden - diese sollten wir bei den verschiedenen Händlern/Verkäufern herausfinden. Ich war nicht die einzige, die falsch lag (ich bin falsch - ist ja schließlich meine Urwunde), Aber es gab auch Treffer, Hochachtung! Auf dem Markt ist dann auch Karin S. zu uns gestoßen. Mit ihr war die Runde jetzt komplett. Eine sehr positive Erfahrung für mich war, dass alle miteinander in Kontakt getreten sind. Alle waren auf Augenhöhe und ich habe mich einfach wohlgefühlt. Jürgen war in seinem Element, ein unglaublich achtsamer Gastgeber, Ljubomir und sein Humor, ein unschlagbares Team und es war für mich ein Erlebnis, zu sehen, mit welcher Freude Karin die Zutaten für unser Essen gekauft hat und wie sie mit den Händlern ins Gespräch gekommen ist. Ich bin da eher weniger kommunikativ unterwegs. Wieder zurück in Jürgens Wohnung haben wir unter Karins A. Anleitung Gemüse und Obst für unser Essen zurechtgeschnitten, der essentielle Dialog wurde fortgesetzt, natürlich griff Jürgen ein, lenkte, korrigierte, wo es nötig war. Aber auch hier fand ich, dass der Umgang miteinander einfach sehr respektvoll ablief.
Das erste Problem, das sich für mich auftat, stellten die Rezepte dar. Ich bin ziemlich mäkelig und auf meiner No-Go-Liste steht vieles wie z. B. Knoblauch, Fenchel, Avocado… Und all das kam in den Rezepten vor. Einfach furchtbar. Normalerweise traue ich mich auch nicht, dies in solch einer Runde zu sagen und dann beginnt immer das gleiche Karussell - ich fühle mich nicht mehr wohl, bekomme Angst vor dem Essen, habe Angst vor den negativen Äußerungen, kann an nichts anderes mehr denken, mein Hirn verschließt sich und ich will nur noch weg. Aber hier war es anders. Es ist so locker und entspannt zugegangen, ich habe keine Ablehnung gespürt und deshalb traute ich mich auch, Karin darauf anzusprechen und sie antwortete ganz locker, dass wir dann die Zutaten einfach weglassen würden. Wow, damit hatte ich nicht gerechnet - kein meckern, kein Versuch, mich zum Probieren zu überreden, sondern reine Akzeptanz. Das ist mir noch nie passiert und ihre Reaktion bewirkte etwas - ich fand es nicht in Ordnung, dass alle anderen darauf jetzt verzichten sollten und wollte mich deshalb trauen, über meinen Schatten zu springen. Das fand sie gut und ich auch. Ich wusste jetzt, wenn ich es nicht essen kann, dann gibt es keinen Stress für mich. Eine völlig neue Situation. Und mein Probieren wurde belohnt. Ich hatte Appetit und es schmeckte einfach lecker. Für mich eine unglaublich gute Erfahrung.
Am Ende des Abends bin ich plötzlich innerlich richtig aufgeschreckt, aber im positiven Sinn - mir wurde bewusst, dass ich seit dem Marktbesuch meine Angst verloren hatte. Sie war an diesem Tag einfach nicht mehr da, einfach weg, hatte sich davongemacht… Ich habe mich schon lange nicht mehr so frei gefühlt und das habe ich allen Teilnehmern, Jürgen, Janin (danke noch einmal für das Schattenspenden!) Karin A., Karin S. und natürlich Ljubomir zu verdanken. Ich denke, das hat u. a. auch daran gelegen, dass sich jeder hier auch von seiner verletzlichen Seite gezeigt hat. Ihr alle habt mir an diesem Tag gezeigt, dass ich meine Einzigartigkeit "Unmögliches möglich zu machen" selber erleben durfte und dafür DANKE an euch alle, ohne euch wären all die Erlebnisse an diesem Tag für mich nicht möglich gewesen.