Was ist eigentlich "Wissenschaft"?
(Danke für die Frage @Beate Heuermann ) 1. Wissenschaft ist keine „Wahrheit“, sondern eine Methode zur Fehlerkorrektur Wissenschaft liefert uns keine absolute, unveränderliche Wahrheit. Was wir im westlichen Verständnis (geprägt von Denkern wie Karl Popper) unter Wissenschaft verstehen, ist eigentlich das Gegenteil von Glauben: Es ist der organisierte Zweifel. Ein wissenschaftliches Modell (z. B. „Wie Dopamin auf Motivation wirkt“) ist nie „wahr“ im endgültigen Sinne. Es ist nur das aktuell beste Modell, das noch nicht widerlegt wurde. Der Unterschied zu einer bloßen „Meinung“ oder „Sichtweise“ ist die Falsifizierbarkeit. Eine Meinung kann ich haben, egal was passiert. Eine wissenschaftliche These muss scheitern können. Wenn ich sage „Kalt duschen erhöht Dopamin“, dann kann man das messen. Wenn es nicht passiert, ist die These falsch. Das macht dieses System so mächtig für uns als Neurohacker: Es sortiert gnadenlos aus, was nicht funktioniert. 2. Die Karte ist nicht das Gebiet (Perspektive vs. Realität) Wissenschaftliche Modelle sind wie Landkarten. Eine Landkarte ist nicht die Landschaft selbst. Sie ist eine reduzierte, abstrakte Darstellung (Perspektive). Aber: Manche Karten sind objektiv besser zum Navigieren als andere. Wenn wir Neurohacking betreiben, wollen wir Ergebnisse (Navigieren). Eine wissenschaftliche „Karte“ mag unvollständig sein, aber sie verhindert, dass wir gegen eine Wand laufen, die wir auf einer rein spirituellen oder intuitiven Karte vielleicht nicht gesehen hätten. Wir nutzen Wissenschaft also nicht als Ersatz für die Realität, sondern als das präziseste Navigationsinstrument, das wir derzeit haben. 3. These, Antithese, Synthese Der ständige Perspektivenwechsel in der Wissenschaft ist kein Fehler im System, sondern das „Betriebssystem“ der Wissenschaft. Ein perfektes Beispiel aus den Neurowissenschaften: These (19. Jh.): Das Gehirn ist lokalisiert. Jedes Areal hat genau eine Funktion (z. B. Sprachzentrum).